×

On the Dirichlet problem and its extension to linear differential equations of the second degree. (Sur le problème de Dirichlet et son extension au cas de l’équation linéaire générale du second ordre.) (French) JFM 24.0366.03

Toulouse Ann. 6, H1-H25 (1892); also Thèse. Paris: Gauthier-Villars et Fils. 75 S. (1892).
Die Abhandlung ist in drei Capitel geteilt. Das erste Capitel behandelt das von Hrn. H. A. Schwarz zuerst gelöste Problem, eine solche Function \(u\) von 2 Veränderlichen \(x,y\) zu finden, welche im Inneren eines gegebenen Gebietes \(S\) der \(xy\)-Ebene zugleich mit ihren ersten beiden partiellen Ableitungen stetig und eindeutig ist, die Differentialgleichung \[ \varDelta u =\frac{\partial^2u}{\partial x^2}+\frac{\partial^2u}{\partial y^2}=0 \] erfüllt und am Rande \(s\) des Gebietes \(S\) vorgeschriebene Werte \(U(s)\) annimmt. Eine Function, welche den beiden ersten genannten Bedingungen genügt, wird zur Abkürzung eine im Gebiete \(S\) harmonische Function genannt. Die Lösung dieses Problems geschieht mittels der von Hrn. Poincaré für den Fall dreier Veränderlicher angegebenen Methode. Zunächst setzt der Verfasser in klarer Weise die Haupteigenschaften des logarithmischen Potentials auseinander und beweist dann den folgenden Satz, auf welchem die Poincarésche Methode wesentlich beruht:
Wenn in einem Punkte \(P\) des Inneren eines Kreises sich die Masse 1 befindet, und man verteilt diese Masse auf der Peripherie des Kreises derart, dass die Dichtigkeit im Punkte \(M\) der Peripherie umgekehrt proportional dem Quadrate der Entfernung \(MP\) wird, so hat die so erhaltene Massenbelegung in jedem ausserhalb des Kreises gelegenen Punkte das nämliche logarithmische Potential wie die ursprüngliche Masse, in jedem innerhalb des Kreises gelegenen Punkte dagegen ein kleineres Potential.
Es geht aus diesem Satze unmittelbar hervor, dass auch jede andere beliebige im Inneren des Kreises gelegene Masse stets so auf der Peripherie verteilt werden kann, dass das Potential für die äusseren Punkte ungeändert bleibt, für die inneren dagegen kleiner wird. Diese Verteilung wird vom Verfasser nach Poincaré’s Vorgange als die Ausfegung des Kreises bezeichnet.
Es folgen nun die Beweise zweier von A. Harnack herrührenden Convergenzsätze; dieselben lauten:
1. Wenn die unendliche Reihe \(u=u_1+u_2+\cdots\), deren Glieder harmonische positive Functionen in einem Gebiete \(S\) sind, in einem Punkte dieses Gebietes convergirt, so convergirt sie gleichmässig im Gebiete \(S\) und stellt dort eine harmonische Function dar.
2. Wenn unter Beibehaltung der nämlichen Bezeichnungen allgemein \(u_n(A)\) in \(U_n(s)\) übergeht, sobald der im Inneren gelegene Punkt \(A\) in einen Punkt \(s\) des Randes rückt, und wenn ferner die Reihe \(U= U_1+U_2+\cdots\) auf dem ganzen Rande \(s\) gleichmässig convergirt, so convergirt die unendliche Reihe \(u\) gleichmässig in \(S\), stellt dort eine harmonische Function dar und nimmt auf dem Rande \(s\) die Werte \(U(s)\) an.
Der Verfasser bestimmt endlich ein System von Kreisen \(C_1,C_2,\dots,\) welche eine abzählbare Menge bilden, welche ferner sämtlich vollständig im gegebenen Gebiete \(S\) liegen und von der Beschaffenheit sind, dass jeder Punkt des Inneren von \(S\) wenigstens von einem jener Kreise umschlossen wird. Es wird dann noch ein Kreis \(K\) construirt, dessen Mittelpunkt in \(S\) liegt, und dessen Radius die grösste Längsausdehnung von \(S\) um das Doppelte übertrifft.
Nunmehr macht der Verfasser die Annahme, dass eine im Inneren des Kreises \(K\) holomorphe Function \(V_0(x,y)\) bekannt ist, welche auf dem Rande \(s\) des Gebietes \(S\) sich auf \(U(s)\) reducirt, und für welche überdies \(\varDelta V_0\) in \(K\) beständig negativ bleibt. Das Potential der im Inneren von \(K\) verteilt gedachten Masse von der Dichtigkeit \(\varrho = \varDelta V_0/2\pi\) werde mit \(W_0\) bezeichnet, und ferner sei allgemein \(W_n\) dasjenige Potential, welches entsteht, wenn man der Reihe nach mit den Kreisen \(C_1, C_2, \dots, C_n\) die Operation der Ausfegung vorgenommen hat. Mit Hülfe der genannten Harnack’schen Convergenzsätze lässt sich der Beweis führen, dass durch \(\lim_{n=\infty} W_n = W\) eine in \(s\) harmonische Function definirt wird, welche stetig in die Werte \(W_0(s)\) übergeht, wenn man den Punkt \(x\), \(y\) auf den Rand \(s\) wandern lässt. Da \(V_0- W_0\) ebenfalls eine in \(K\) harmonische Function wird, so ist \(W+V_0-W_0\) die gesuchte Lösung des Problems. Zum Schluss des Capitels wird noch die Beschränkung aufgehoben, welche in der Annahme der Existenz einer Function \(V_0\) liegt; auch ist noch eine Modification in der Beweisführung notwendig, wenn die Randcurve \(s\) eine an einzelnen Stellen ihre Richtung plötzlich ändernde Tangente besitzt.
Das zweite Capitel behandelt die Aufgabe, eine Function \(u(x,y)\) zu construiren, welche im Inneren eines gegebenen Gebietes \(S\) der \(xy\)-Ebene zugleich mit ihren ersten beiden partiellen Ableitungen stetig ist, die Differentialgleichung \(\varDelta u = f(x, y)\) erfüllt, wo \(f(x,y)\) eine gegebene Function von gleicher Beschaffenheit bedeutet, und welche überdies am Rande \(s\) des Gebietes \(S\) vorgeschriebene Werte \(U(s)\) annimmt. Man erkennt sofort, dass dieses Problem mit Hülfe der im ersten Capitel gelösten Aufgabe auf den einfacheren Fall zurückgeführt werden kann, in welchem die gegebene Function \(U\) identisch verschwindet. Die Lösung dieses einfacheren Problems gelingt mittels der Green’schen Function \[ G(x,y; a,b)=l\left(\frac{1}{r}\right)-\omega \] wo \(r\) die Entfernung des Punktes \(x\), \(y\) von einem festen, in \(S\) gelegenen Punkte \(a\), \(b\) und \(\omega\) eine in \(S\) harmonische, auf dem Rande \(s\) die Werte \(l\left(\frac{1}{r}\right)\) annehmende Function bedeutet. Der Punkt \(a, b\) wird der Pol der Green’schen Function genannt. Der Verfasser zeigt, dass das über das Gebiet \(S\) erstreckte Doppelintegral \[ u(x, y)=-\frac{1}{2\pi} \iint f(x',y')G(x',y';x,y)\,dx'\,dy' \] eine Function definirt, welche die sämtlichen vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt.
Das dritte Capitel enthält die Grundlage einer Theorie der allgemeinen Gleichung \[ A\;\frac{\partial^2 u}{\partial x^2}+2B\;\frac{\partial^2u}{\partial x\partial y}+C\;\frac{\partial^2u}{\partial y^2}+2D\;\frac{\partial u}{\partial x}+2E\;\frac{\partial u}{\partial y}+ Fu=0, \] wo \(A, B, \dots, F\) Functionen von \(x\), \(y\) bezeichnen, welche in einem Gebiete \(S\) der \(xy\)-Ebene zugleich mit ihren ersten beiden Ableitungen stetig sind. Je nachdem der Ausdruck \(B^2-AC\) in \(S\) stets positiv oder stets negativ ausfällt, lässt sich die Differentialgleichung mittels einer reellen Substitution auf einen der beiden folgenden Typen zurückführen: \[ \frac{\partial^2u}{\partial x\partial y}+\alpha\;\frac{\partial u}{\partial x}+b\;\frac{\partial u}{\partial y}+cu=0, \]
\[ \frac{\partial^2u}{\partial x^2}+\frac{\partial^2u}{\partial y^2}+a\;\frac{\partial u}{\partial x}+b\;\frac{\partial u}{\partial y}+cu=0. \] Zunächst beweist der Verfasser folgende Sätze: 1. Man kann um jeden Punkt \(x_0\), \(y_0\) der \(xy\)-Ebene ein Gebiet \(R\) derart abgrenzen, dass, wenn \(s\) eine beliebige, in \(R\) verlaufende geschlossene Curve ist, das Integral der Differentialgleichung durch die Werte auf dieser Randcurve \(s\) eindeutig bestimmt ist. 2. Für jedes Gebiet \(S\), in welchem \(c\) nirgends positiv ausfällt, ist das Integral ebenfalls durch seine Randwerte völlig bestimmt Es wird endlich mittels des alternirenden Verfahrens des Hrn. H. A. Schwarz auch wirklich die Existenz eines Integrals der Differentialgleichung mit vorgeschriebenen Randwerten gezeigt.

MSC:

35G15 Boundary value problems for linear higher-order PDEs
31A35 Connections of harmonic functions with differential equations in two dimensions
PDFBibTeX XMLCite
Full Text: Numdam Numdam EuDML