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Über stetige Funktionen. (Zweite Abhandlung.). (German) JFM 41.0448.02

Die Abhandlung besteht aus drei Teilen, die dem Inhalt nach nur lose zusammenhängen, jedoch durch die Methode der Untersuchung verbunden sind. Es wird nämlich die stetige Funktion \(f (x)\), wo \(x\) zwischen 0 und 1 liegen möge, in zwei Summanden zerlegt: \(f (x) = F_n (x) +R_n (x)\), so daß \(y =F_n (x)\) das Polygon bedeutet, das mit Ecken in den Punkten der Abszissen \(x= h/2^n\;(h = 0, 1, 2, \dots , 2^n)\) der Kurve \(y = f (x)\) einbeschrieben ist, und ferner wird gesetzt: \(f_n(x) = F_n (x) - F_{n-1} (x)\). Der Linienzug \(y = f_n(x)\) besteht dann aus den Schenkeln von \(2^{n-1}\) gleichschenkligen Dreiecken. Die der \(y\)-Achse parallelen, je nach ihrer Richtung mit dem positiven oder negativen Vorzeichen versehenen Höhen dieser Dreiecke, \(\delta_n\), erweisen sich als sehr zweckmäßige Daten zur Bestimmung der stetigen Funktion \(f (x)\).
Der erste Abschnitt bezieht sich auf die Differenzierbarkeit und Rektifizierbarkeit stetiger Funktionen. Nachdem zunächst die in der ersten Arbeit (F. d. M. 39, 455-457, 1908, JFM 39.0455.02) gefundenen einfachen Bedingungen der Differenzierbarkeit und Rektifizierbarkeit verschärft und erweitert worden sind, wendet sich der Verf. zu der Frage, ob rektifizierbare Kurven Tangenten besitzen müssen. Während die Frage, ob die Stetigkeit einer Funktion deren Differenzierbarkeit wenigstens an gewissen Stellen des Stetigkeitsintervalles nach sich zieht, nach Weierstraß zu verneinen ist, hat Lebesgue im Jahre 1904 gezeigt (F. d. M. 35, 377, 1904, JFM 35.0377.01), daß die Punkte, an denen eine rektifizierbare Kurve der Bogenlänge \(s:\;x = \varphi (s),\;y = \psi (s)\) keine Tangente besitzt, für die Veränderliche \(s\) eine Menge vom Maße 0 bilden. Faber gibt für diesen wichtigen Satz einen neuen Beweis, der gegenüber dem Beweise von Lebesgue den Vorzug hat, daß die Rechnung so nahe, wie es der Gegenstand möglich macht, der Anschauung folgt und überdies ganz elementar ist.
Im zweiten Abschnitt wird die Darstellung einer stetigen Funktion durch eine Fouriersche Reihe behandelt. Auf überraschend einfachem Wege gelangt der Verf. zur Lipschitz-Dinischen Bedingung, die in den Lehrbüchern mit Unrecht häufig vernachlässigt wird. (vgl. auch die Abhandlung von Lebesgue, S. 476 dieses Bandes). Auch werden einfache stetige Funktionen aufgestellt, deren Fouriersche Reihe divergiert, wobei der Verf. mit Fejér zusammengetroffen ist (F. d. M. 40, 440, 1909, JFM 40.0440.01 und 474, 1909, JFM 40.0474.03).
Besondere Beachtung verdient der dritte Abschnitt, in dem die Konvergenz der trigonometrischen Interpolation untersucht wird, eine für die Anwendungen sehr wichtige Frage, die gleichwohl, von fast selbstverständlichen Fällen abgesehen, noch nicht betrachtet worden zu sein scheint. Allerdings gilt unter sehr allgemeinen Bedingungen, zum Beispiel, wenn \(f (x)\) der Lipschitz-Dinischen oder der Dirichlet-Jordanschen Bedingung genügt, der Satz, daß \(\lim_{N=\infty} J_N(f(x))=f(x)\) ist, wo unter \(J_N(f(x))\) diejenige endliche trigonometrische Reihe \[ \begin{matrix} \frac 12\,a_0 &+ a_1\cos x + a_2\cos 2x+ \cdots + a_N\cos Nx \\ &+b_1\sin x+b_2\sin 2x+\cdots +b_N\sin Nx \end{matrix} \] verstanden wird, die für \(x = 2k\pi/(2N + 1 )\;(k = 0, 1, 2, \dots , 2N)\) dieselben Werte annimmt wie die Funktion \(f (x)\). Allein es gibt auf der anderen Seite stetige Funktionen, deren trigonometrische Interpolation divergiert oder ungleichmäßig konvergiert, und dies kann sogar auch dann vorkommen, wenn gleichzeitig die Fouriersche Reihe der betreffenden Funktion gleichmäßig konvergiert. Aber auch der entgegengesetzte Fall, Konvergenz der trigonometrischen Interpolation und gleichzeitige Divergenz der Fourierschen Reihe, ist bei einer stetigen Funktion möglich. Hieraus geht hervor, daß früher unternommene Versuche, die eine Darstellungsart aus der anderen abzuleiten nicht zum Ziele führen konnten und sich nur dadurch retten ließen, daß weitere einschränkende Voraussetzungen für die darzustellende stetige Funktion \(f (x)\) gemacht werden.

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References:

[1] Mir war damals eine Arbeit des Herrn Steinitz (Math. Ann. Bd. 52) entgangen, der bezüglich der Differenzierbarkeit von ähnlichen Erwägungen ausgehend zu analogen Resultaten gelangte. ? Mit den Untersuchungen des Herrn Brodén über stetige Funktionen stimmen die meinen fast nur im Ausgangspunkt überein, nämlich darin, daß wir beide eine Kurve als Grenzlinie einbeschriebener Polygone auffassen. Von dem gleichen Untersuchungsmittel machte neuerdings auch Herr Sellerio (Palermo Rendiconti Bd. 28 (1909)) Gebrauch.
[2] Leçons sur l’Intégration, Paris 1904, S. 125.
[3] Rendiconti della Reale Accad. dei Lincei Bd. 15 (1906), 1. Semester, S. 433, 551, 674; 2 Semester, S. 3, 358; Bd. 16 (1907), 1. Semester, S. 92, 283.
[4] Ein leicht zu verbesserndes Versehen des Herrn Lebesgue auf S. 128 seines Buchs ist so offenbar, daß es auch ein wenig aufmerksamer Leser bemerken muß.
[5] S. Kneser, Math. Ann. Bd. 58 (1904). Lebesgue, Leçons sur les séries trigonométriques, Paris 1906, S. 47.
[6] Während der Drucklegung der vorliegenden Arbeit hat Herr Fejér fast genau das gleiche Beispiel im 137. Bande des Crelleschen Journals veröffentlicht.
[7] Nr. 17 (1903). · JFM 34.0606.02
[8] Vgl. hierzu auch J. Perl, Jahresbericht d. D. Mathematiker-Vereinigung Bd. 18 (1909), S. 399.
[9] Palermo Rendiconti Bd. 27 (1909).
[10] Trans. Am. Math. Soc. Bd. 9 (1908), S. 237-244.
[11] Kneser, Math. Ann. Bd. 58 (1904); Lebesgue, Leçons sur les séries trigonométriques, Paris 1906, S. 47.
[12] S. z. B. Lebesgue, Leçons sur les séries trigonométriques, S. 37.
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