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Die Stellung des Relativitätsprinzips im System der Mechanik und der Elektrodynamik. (German) JFM 40.0746.01

Zweck dieser Arbeit ist die Durchführung eines konsequenten Standpunktes, der das Relativitätsprinzip in den Zentralpunkt des Aufbaus der Mechanik und Elektrodynamik rückt.
Im §1 wird der Inhalt des Relativitätstheorems der Newtonschen Mechanik, insbesondere der Begriff der absoluten Translationsbewegung, präzise formuliert: “Wenn ein Körper \(S\) als absolut ruhend aufgefaßt werden kann, so kann auch jeder Körper, der sich relativ zu \(S\) gleichförmig und geradlinig bewegt, als absolut ruhend aufgefaßt werden.” Diese Formulierung ist auch für die späteren elektrodynamischen Probleme von Wichtigkeit.
Im §2 wird von dem Energiesatz in seiner gewöhnlichen Fassung ausgegangen und gezeigt, was aus ihm mit Hülfe des Relativitätsprinzips sich alles folgern läßt. Diese Untersuchungen, die teilweise mit älteren von J. R. Schütz Berührungspunkte haben (Gött. Nachr. 1897, 110-123; F. d. M. 28, 637, 1897, JFM 28.0637.02), sind auch deshalb von Interesse, weil sie auf die von den Energetikern behauptete, von deren Gegnern bestrittene Ableitbarkeit der mechanischen Grundgleichungen aus dem Energiesatz ein gewisses Licht werfen.
Im §3 werden die Begriffe “Bogenlänge” und “Krümmung” als Invarianten gegenüber der Gruppe der orthogonalen Transformationen (3) \(x'=x\cos a+t \sin a\), \(y' =-x\sin a+t \cos a\) definiert und aus ihnen ein Begriff “lebendige Kraft” hergeleitet.
Im §4 wird die eingliedrige projektive Gruppe (3) durch die Gruppe (1) \(x' = x-at\), \(t' = t\) von derselben Eigenschaft ersetzt und die analogen Begriffe definiert wie im §3. Diese Begriffe beziehen sich dann auf die Bewegung eines Punktes längs der \(x\)-Achse. Durch das Axiom der Unabhängigkeit der lebendigen Kraft von der Richtung der Geschwindigkeit und der Übergang zur Bewegung im Raum gemacht und danach im §5 die Newtonsche Mechanik mit besonderer Benutzung des Relativitätsprinzips aufgebaut.
Im §6 wird gezeigt, daß durch Anwendung des Newtonschen Relativitätsprinzips die Hertzschen Gleichungen für die Vorgänge in bewegten Körpern erschlossen werden. Durch die experimentelle Widerlegung der Hertzschen Gleichungen wurde also auch die Geltung des Newtonschen Relativitätsprinzips im Gebiete der elektromagnetischen Erscheinungen unmöglich gemacht.
Im §7 wird die Elektrodynamik bewegter Körper auf Grund einfacher Annahmen aufgebaut. Durch das Voranstellen des Begriffes des refraktionsfreien Körpers, meint der Verf., habe dieser Aufbau an Durchsichtigkeit gegen die bisherigen Darstellungen etwas gewonnen. Das Lorentzsche Relativitätstheorem wird bewiesen: “Wenn ein System \(S\) als absolut ruhend betrachtet werden kann, so kann dies auch jedes System \(S'\), das sich gleichförmig und geradlinig gegen \(S\) bewegt.” Die Lorentzschen Gleichungen (2) \(x'\sqrt{1-a^2}=x-at\), \(t'\sqrt{1-a^2}=ax +t\) werden mit möglichster Angabe aller Voraussetzungen abgeleitet. Die ganze Darstellung wird so gehalten, daß sich Minkowskis Ableitung der Gleichungen (Gött. Nachr. 1908, 54-55; F. d. M. 39, 909, JFM 39.0909.02) für beliebige ponderable Körper folgerichtig anschließen läßt.
Im §8 werden die Definitionen der §§3 und 4 dadurch modifiziert, daß die eingliedrige projektive Gruppe (2) an die Stelle (3), bzw. (1) gesetzt wird.
In den §§9 und 10 wird schließlich gezeigt, daß sich die elektromagnetische Mechanik, also eine Mechanik, in der statt des Relativitätstheorems der Newtonschen das Lorentz-Einsteinsche gilt, einfach dadurch aufbauen läßt, daß man alle Definitionen und Voraussetzungen vom Aufbau der klassischen Mechanik wörtlich herübernimmt und nur überall die Gruppe (1) durch die Gruppe (2) ersetzt. Dieser Satz ist als das Hauptresultat der Arbeit zu betrachten; um es deutlich hervortreten zu lassen, hat der Verf. möglichst viele Überlegungen schon beim Aufbau der klassischen Mechanik (§§2-5) angestellt. Dort erscheinen sie vielleicht überflüssig; sie ermöglichen es aber, dann die elektromagnetische Mechanik mit einem Schlage und ganz “mechanisch” aufzustellen.

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